Frank Schätzing. Der Schwarm. Köln, Kiepenheuer u. Witsch, 2004.

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Ein peruanischer Fischer, der bei ruhiger See verschwindet, unterschiedliche Gattungen an Walen, die in fröhlicher Eintracht plötzlich Schiffe versenken, mutierte Borstenwürmer, die systematisch die Methanhydrate der Welt zerstören, und immer wieder merkwürdiger, gelatine-artiger Glibber, der beinahe alle Begegnungen zwischen dem Menschen und dem Meer begleitet.

Das Inferno bricht los, als der norwegische Kontinentalschelf abrutscht und einen in Nordeuropa beispiellosen Tsunami zur Folge hat, verursacht durch die Borstenwürmer, die die ihn stabilisierenden Methanhydrate fressen... Der weltweite Überseehandel komtm zum Erliegen, die Ölversorgung bricht zusammen, der Golfstrom versiegt.

Eine schier endlose Reihe an Katastrophen hat Frank Schätzing aneinandergereiht, die die Menschen in seinem Roman erst langsam verstehen lassen, daß die Ereignisse kein Zufall sind, sondern sehr systematisch die Zurückdrängung des Menschen zum Ziel haben, der auf Kosten der Lebewesen im Meer Raubbau betreibt.

Die Geschichte beginnt sehr realistisch, die Orte, die erwähnten Institutionen und die Forschungsprogramme existieren tatsächlich, hier hat Schätzing sehr gründlich recherchiert. Bedenkt man, daß der Roman 2004 veröffentlicht wurde, und daß der Tsunami in Indonesien erst am zweiten Weihnachtstag dieses Jahres zuschlug und hunderttausende an Opfern forderte, dann werden die Schilderungen in der Geschichte plötzlich sehr real.

Für den Rest der Geschichte hat sich der Autor scheinbar bei Raumschiff Enterprise bedient: Die Katastrophen sind sehr wohl gesteuert, und werden durch ein Wesen koordiniert, das sich aus Einzellern zusammensetzt und beständig seine Form ändern kann: Diese gallertartige Masse setzt sich in den Gehirnen der anderen Tiere fest und übernimmt deren Körperfunktion. Die Masse bildet dabei ein weltweites Kollektiv, beinahe wie die Borg, wo jede Zelle gleichberechtigt an der Gesamtheit teilnimmt, und das Kollektiv aus diesen selbst willenlosen, nur ausführenden Individuen besteht.

Ein anderes Topos ist sehr zeitgemäß: Die USA als ein Land mit vielen Küstenkilometern und als einer der stärksten Verschmutzer der Meere ist natürlich auch besonders stark betroffen: Die Menschen in New York gehen an Giftstoffen marinen Ursprungs zugrunde, und Gift versprühende Krebse überrennen Küstenstädte wie Washington und Boston. Dementsprechend reißt sich die USA auch das Kommando über die Maßnahmen unter den Nagel und eine aufstrebende Halb-Immigrantin Judith Li (ihre Mutter ist Chinesin, ihr Vater Amerikaner) als kommandierende Generälin der US-Streitkräfte und Sonderbeauftragte des Präsidenten erinnert an Condolezza Rice.

Ein riesiges Forschungs-Kampfschiff wird gebaut und man versucht, das merkwürdige Wesen mit allerlei Technik auf sich aufmerksam zu machen, um es studieren zu können. Dabei suchen die europäischen Forscher einen Weg, sich mit der Existenz des Wesens zu arrangieren, es in Ruhe zu lassen und zu tolerieren, und oh Wunder, die an Bord befindliche CIA-Fraktion versucht, aus den Erkenntnissen der Wissenschaftler eine Waffe zu entwickeln, um das weltweit agierende Mikroben-Bewußtsein zu töten, und mit rauchendem Colt wie im wilden Westen die Welt zu retten, denn, wie die eiskalte Lady Judith Li sagt, Amerika ist auserkoren, die Welt zu retten, und die Welt ist Amerika.

Leider wird daraus nix, denn sie hat sich in ihrer Brutalität verrechnet und geht in einer Racheaktion eines von ihr erschossenen und gerade noch röchelnden Wissenschaftlers im Chaos des sinkenden Forschungs-Kampf-Riesenschiffs selbst drauf. Eine andere Wissenschaftlerin schafft es, sich ein Tiefsee-UBoot zu schnappen und ihr gelingt es, in einer atemberaubenden Begegnung mit dem Tiefseewesen, Kontakt herzustellen und es mit einem Trick zu besänftigen...

Nun wie gesagt, Amerika-bashing vom Feinsten, und die Topoi entstammen der üblichen Bastelkiste eines Horror-Autoren. Trotzdem ist das Buch ganz gut geschrieben, es ist spannend und schnell lesbar, es geht runter wie Gelatine. Für die 1000 Seiten braucht man ein paar Tage, aber sie sind es wert. Ein Freund von mir hat gesagt, wenn Du das Buch gelesen hast, gehst Du nicht mehr segeln. Stimmt nicht ganz, ich geh auch weiterhin gerne segeln, und Gelatine mag ich auch noch :-)